Bericht Jugendfahrt Zinnowitz
„Ist ja ganz schön, aber irgendwie nicht Neukölln, wa?“
3 Tage am (gefühlten) Rand der Zivilisation und wieder zurück
Es gibt Dinge, die man gemeinhin mit dem Berliner Januar assoziiert. Meistens sind das durch sämtliche Ritzen des Altbaubetons dringende arktische Kälte, der für Weihnachten bestellte Schnee, den zu diesem Zeitpunkt der Durchschnittsberliner etwa für 37 Minuten genießen kann (ungefähre Zeit bis zur Verwandlung der weißen Pracht in eine unansehnliche graue, feuchte Masse) und die Erkenntnis, dass das mit den Neujahrsvorsätzen doch irgendwie schwieriger ist als in der Silvesternacht gedacht. Dinge, die man absolut nicht mit dem Berliner Januar assoziiert, sind die garantiert winteruntaugliche Sportart Baseball und ein Strandurlaub an der Ostsee. Grund genug für unseren hoffnungsvollen Nachwuchs, allen Konventionen zu trotzen und das neue Jahr genau damit zu beginnen - in Kombination.
So trafen sich dann an einem klaren Freitagmorgen 11 tapfere Recken in der doch recht großen Altersspanne von 8-15 Jahren mitsamt 5 Betreuern am Bahnhof Berlin Südkreuz, um die Reise ins ferne Zinnowitz auf Usedom anzutreten. Die wenig ereignisreiche Zugfahrt ließ alle Teilnehmenden im Unklaren über die Gefahren, die wir zu trotzen hatten. So lieferte ein Umstand direkt nach dem Aussteigen am kleinen Dorfbahnhof eine traumatisierende Erfahrung, die Berliner Kinder selten machen müssen: Die Existenz von Funklöchern, die einen wichtigen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Reise haben sollte.
Nachdem sich alle von dem Schock erholt und den kurzen Fußmarsch (1,8km) zur Herberge hinter sich gebracht hatten („Warum fährt denn hier kein Bus?“), wurden natürlich erst einmal die Zimmer bezogen und zünftig die nähere Umgebung erkundet. Nach einer kleinen Kaffee- und Kakaopause hieß das erste gemeinsame Ziel selbstverständlich der nahe gelegene Strand, der aus erwartbaren Gründen (wilde Fangspiele, Sandskulpturen und Muschelsammeln) sowie gänzlich unerwarteten Gründen („Leute, hier gibt es Netz!“) sofort zum Höhepunkt des Tages avancierte – und das nicht nur für die jüngeren Teilnehmer. Gerüchten, denen zufolge der Verfasser dieser Zeilen trotz einer Wassertemperatur von 4 Grad es sich nicht habe nehmen lassen, ein kleines Wellenbad zu nehmen, gehören selbstverständlich ins Reich der Gerüchte und Unwahrheiten.
Nach unserer Rückkehr starteten wir mit einer kurzen Essensunterbrechung in den Hauptteil der Fahrt, der den mit Abstand größten Raum einnehmen sollte: Eine große Auswahl der verschiedensten Gruppenspiele und -aktivitäten, die sich über den gesamten restlichen Aufenthalt erstreckten. Allen voran ist hier das „Mörderspiel“ zu nennen, durch das regelmäßig unter großem Geheul das Ableben einer Person verkündet werden konnte, was jedes Mal für Erheiterung unter den anderen sowie für fortgeschrittenen Verfolgungswahn unter den noch Lebenden sorgte. Rechnet man nun noch die stets bestehende Gefahr durch hungrige Werwölfe ein, ist es sehr positiv zu bewerten, dass schlussendlich alle Mitfahrer gut erhalten wieder den Rückweg antreten konnten. Nach all diesen ermüdenden Aktivitäten war es wenig verwunderlich, dass zum Zeitpunkt der Bettruhe kein nennenswerter Aufwand nötig war, um deren Einhaltung zu überwachen.
Der Samstag gehörte ganz den Gruppenaktivitäten im Freien, bei denen das gesamte weitläufige Außengelände ausgiebig genutzt wurde. Besonders schön war es hier, im Laufe des Tages zu beobachten, wie sich aus den von Alter, Baseballerfahrung und persönlichem Hintergrund so unterschiedlichen Individuen, die bis zu dieser Fahrt in dieser Konstellation höchstens ein halbes Jahr Kontakt hatten, nach und nach ein richtiges Team formte, das aufeinander achtete und einfach richtig viel Spaß zusammen hatte. Nach dem Abendessen folgte dann das selbstverständlich komplett spontane Highlight der ganzen Unternehmung: Die Nachtwanderung zum Strand, die aufgrund Lars' Konfiszierungstaktiken tatsächlich gänzlich im Dunklen stattfand und bei sternenklarem Himmel eine einmalige Atmosphäre zum Abschluss des Tages bot (auch wenn wir dies mit dem Verlust einer absolut lautlos fallenden Mütze bezahlen mussten).
Nach einer ebenso angenehm ereignisfreien Rückreise fanden wir uns schließlich um 18 Uhr am Sonntag am Bahnhof Berlin-Gesundbrunnen ein, zwar etwas müde und abgekämpft, aber um viel frische Seeluft sowie unzählbare unvergessliche Momente reicher, die uns als Team haben wachsen lassen und hoffentlich in eine ebenso bereichernde Saison 2020 führen werden. An dieser Stelle gebührt ein ganz großes Wort des Dankes Birgit, die die gesamte Fahrt von A bis Z durchgeplant hatte und durch ihre unvergleichliche Kombination aus Engelsgeduld und energischer Bestimmtheit nie auch nur einen Hauch von Stress aufkommen ließ, sodass auch wir Betreuer genauso viel Spaß hatten wie unsere Schützlinge.